Mittwoch, 30. April 2014

Meresh'ti cau'pla Sey'syuyä / Sey'syus Ikranfänger [Teil 2]

Pxoel fwew pxiutit fte txivula meresh'ti cau'plati Sey'syuä - Hapxì amuve
(Wir drei suchen die Rasiermesserpalme, um Sey'syus Ikranfänger herzustellen - Teil 2)


Im Wald draußen geht es um Leben und Tod. Doch ist es nicht auch der tägliche und ewige Kreislauf?  Mir fallen für kurze Momente Gesichter ein von smuktu (Geschwistern) und eylan (Freunden), die es längst nicht mehr gibt. An ihre Stelle sind andere, ebenso loyale Freunde getreten. Ein Leben endet, während gleichzeitig irgendwo anders ein neues beginnt...  So sitzen wir in unserem Versteck, lauschen und wittern. Der Kampf wird lauter und brutaler. Den aggressiven Schreien können wir anhören, dass Blut fließen muss, sehr viel Blut. Nur einen einzigen, kurzen Blick miteinander austauschend sind Ne'wey und ich uns einig, dass wir hier weg müssen. Wir verlassen unser Versteck, um uns in aller Eile eine neue Deckung zu suchen.


Dienstag, 29. April 2014

Meresh'ti cau'pla Sey'syuyä / Sey'syus Ikranfänger [Teil 1]

Pxoel fwew pxiutit fte txivula meresh'ti cau'plati Sey'syuä - Hapxì a'awve
(Wir drei suchen die Rasiermesserpalme, um Sey'syus Ikranfänger herzustellen - Teil 1)

Sey'syu sitzt neben mir am Feuer, als ich nach einem schlimmen Traum erwache. Es war einer jener Träume, die ich vermutlich in nächster Zeit noch oft haben werde. Sa'nu (Mama) hatte mir davon erzählt, dass es ihr einst ebenso ging, nachdem ich ihren Clan verlassen hatte. Nun kann ich noch besser nachempfinden, was sie fühlte. Seit May fort ist, fühle ich mich leer, nutzlos und oftmals tröste ich mich darüber hinweg, indem ich mich mit irgendetwas beschäftige, um mich von diesen Gedanken abzulenken. Daher kommt mir heute der Vorschlag meiner yawntu (Liebsten) mehr als gelegen, als sie Ne'wey ihren meresh'ti cau'pla (Ikranfänger) zurückgibt, um sie dann darum zu bitten, sich einen eigenen machen zu können.


Montag, 28. April 2014

Tsaro sì oe / Tsaro und ich

Srake 'awpo fu mefo?
(Einer oder zwei?)

Es war noch Zeit, bevor ich zum Lager zurückkehren wollte. Glücklicherweise hatte ich die Flöte mit genommen und wollte nun die Gelegenheit nutzen, ein wenig zu probieren. Sehen was ich noch konnte und was ich verlernt hatte. Als ich die Stimmenbäume erreichte, hockte ich mich dicht ans Ufer und begann ein wenig zu übern. Natürlich in der Hoffnung, dass keiner meine, nach ewiger Zeit, ersten kläglichen Spielversuche hören könnte. Und nach und nach erinnerte ich mich und mein Spiel wurde immer besser. 

Maytame

Tsalsungay oo ke tätxaw.
(Sie kehrt jedoch nicht zurück.)

Ich entschloss mich, für den heutigen Tag mit dem Boot hinaus aufs Meer zu fahren. Der Tag der Rückkehr von Kxirya, Seysyu und meiner taronyu ahì'i (kleinen Jägerin) Maytame stand bevor. 

Txe'lan asngum / Das besorgte Herz

Kameie ngati ma tsmukan alu Tsaro.
(Ich sehe Dich, Bruder namens Tsaro.)



Eywa sei Dank, habe ich nun die Vergiftung überstanden. Die Heilpflanze macht das Gift im Körper unschädlich und der heilsame Schlaf, über mehrere Tage, tat sein übriges. Tsaro schien nicht im Lager zu sein. Aber ich fand frische Früchte und einen Krug frischen Wassers mit Becher neben der Blume stehen, die mir Seysyu schenkte als ich krank wurde. Tsaro ist mehr als nur aufmerksam. Da ist er wieder der Gedanke an Tsaro. 

Säspxin ahek / Merkwürdige Krankheit

Frakrr 'efu ngeyn nìtxan oe.
(Ich bin ständig sehr müde.)

Die merkwürdige Krankheit breitete sich schnell in mir aus. Mich überfiel immer wieder eine unbändige Müdigkeit, die aber keinen erholsamen Schlaf brachte. Muskeln und Glieder schmerzten täglich mehr. Nicht einmal das wirklich lecker bereitete Essen von Tsaro konnte mich begeistern. Hunger war das letzte, was ich verspürte. Zuerst fanden wir einfach keine Erklärung für meinen Zustand, der sich täglich verschlechterte. Kein Insektenstich war zu finden. Kxirya entschloss sich zu prüfen, ob ich eine Vergiftung haben könnte. Als Heilerin wusste sie, wie sie dies tun kann. Ein wenig meines Blutes träufelte sie auf einen kleinen Pilz der sich prompt verfärbte. Also vergiftet. In einer erneut schlaflosen Nacht schoß mir ein Gedanke durch den Kopf. Könnte es sein...?

Sonntag, 27. April 2014

Sa'nu / Mutter

'eylan oeyä 'ì'awn - 'ite oeyä hum. Kempe layen?
(Meine Freundin bleibt - Meine Tochter geht. Was wird geschehen?)

An jedem Tag, der seit der Rückkehr vom Clan meiner sa'nu (Mutti) vergeht, spüre ich, wie es mein Herz mehr und mehr zerreißen will. Auch wenn ich weiß, dass sa'nu (Mama) und ihr Clan gut auf Maytame aufpassen werden, dass sie dort Spielkameraden und neue Freunde gefunden hat und dass sie dort vieles lernen wird, fehlt sie mir mehr und mehr. Ich fühlte mich stark genug, sie dort zurück zu lassen, fühle aber nun, wie schwach ich doch bin. Doch eines nach dem Anderen...

Samstag, 26. April 2014

Oe tarontu lu / Ich bin die gejagte

Ikranil lefnagp sì palulukanil taron oet.  Hivifwängo zene oe...
(Ein Metallikran und ein Palulukan verfolgen mich. Ich muss leider fliehen...)

Noch immer hallen Korlans Worte in mir nach, als ich eben aufwache: "Syamaw fo tstxor ngeyä, ma Kxìrya..." ("Sie nannten Deinen Namen, Kxìrya...")  Ne'wey liegt, immer noch in tiefen Schlaf versunken, neben mir auf ihrem Lager, doch bin ich zuversichtlich, dass sie bald wieder ganz gesund werden wird. Eine Zeit lang sitze ich noch neben ihr, beobachte sie, doch ich kann nichts weiter tun, als abzuwarten. Daher mache ich mich irgendwann auf den Weg. Wieder zieht es mich zum vitra utral (Baum der Seelen) und wieder einmal will ich versuchen, dort etwas bestimmtes oder jemand bestimmtes zu hören: Sempul (Vater)...

Donnerstag, 10. April 2014

Ayaungia amip Eywata / Neue Zeichen von Eywa

Lam fwa layu oe tsahìk ahay Rey'engyayä. Mll'an oel tìftxeyt Eywayä ulte nayume. 
(Es scheint, dass ich die nächste Tsahìk der Rey'engya werde. Ich werde Eywas Wahl akzeptieren und werde lernen.)

Kaum wache ich soeben auf, ist sie mein erster Gedanke. Ne'wey. Ich eile zu ihr in unsere Höhle, schleiche mich zu ihrem Cocoon und stelle dann beruhigt fest, dass sie noch schläft. Eigentlich habe ich auch nichts anderes erwartet, denn nach dem Tee, den ich ihr gestern am Feuer verabreicht habe, weiß ich, dass sie einige Tage lang sehr tief schlafen muss. Doch ist es eine innere Unruhe, die mich nach ihr schauen lässt. Ich bin für sie, oder besser ihre Gesundheit, verantwortlich. Als ich so neben ihr stehe und darüber nachdenke, was für eine seltsame Krankheit diese starke Müdigkeit in ihr hervorgerufen haben könnte, kommt mir eine Idee. Es ist nur ein vager Gedanke, aber ich suche dennoch ihren ganzen Körper selbst nach kleinsten Insektenstichen ab.

Mittwoch, 9. April 2014

Ne'wey 'efu spxin / Ne'wey fühlt sich krank.

Po frakrr 'efu ngeyn nìtxan sì meyp. Ke omum nìno, pesäspxin latzu?
(Sie fühlt sich immer sehr müde und schwach. ?  Ich weiß nicht genau, welche Krankheit es sein könnte.)

Es lässt mich nicht richtig ruhen, dass Ne'wey offenbar etwas krank geworden ist, denn ich erwache bereits lange vor allen anderen. Mit meinem Bogen bewaffnet mache ich mich auf den Weg, um zu zu beobachten, wie der neue Tag anbrechen wird. Ich klettere auf einen hohen Baum und schwinge mich mittels einiger Lianen ein Stück weit bis ich zu einer der Hängebrücken komme, die vor sehr langer Zeit irgendjemand hier in unserem Wald aufgehängt haben muss. Es ist noch recht still. Nur vereinzelt höre ich hier und dort, ein Tier erwachen oder über mich hinweg ziehen. Unser Land ist wieder wo unglaublich lebendig geworden, dass es mich jedes Mal mit Freude erfüllt, wenn ich hier her kommen kann, um das alles beobachten zu können.

Sä'eoio angäzìk / Ein schwieriges Ritual

Sey'syul fwew zeya tsengit na'rìngmì fwa kem si sä'eoio peyä.
(Sey'syu sucht einen besonderen Ort im Wald, um ihr Ritual abzuhalten.)

Irgendwie fühle ich mich heute Morgen wie jemand, der weiß, dass er ein stxeli (Geschenk) bekommt, der aber nicht weiß, wann er es bekommt und was es sein wird. Ein Kribbeln geht mir durch den Magen. Zusammen mit Sey'syu werden wir heute ihr erstes Ritual abhalten, das für sie ganz alleine ist. Um Eywa, unsere große Mutter zu Ehren und ihr zu danken, werden wir das Herz des von Sey'syu erlegtem Yerik (hirschähnliches Tier) an einem Ort vergraben, den sie, die erfolgreiche Jägerin,  ganz alleine auswählen wird. Da ich schon gestern alles vorbereitet hatte, um dem Tier das Herz entnehmen zu können, warte ich nun auf meine yawntu (Liebste). Sie schläft noch, stelle ich etwas belustigt fest. Offensichtlich hatte die gestrige Jagd ihr doch sehr viel abverlangt.

Mittwoch, 2. April 2014

'efu oe nìtram nìtxan / Ich bin sehr glücklich

'ivong atxkxe ayoer sì fratsengit tok sìreyli amip.
(Unser Land erblüht und überalle ist neues Leben.)

Schon die Geräusche, als ich eben neben Sey'syu aufwache, lassen mich erfreut aufhorchen. Ayayo (Vögel), aysyaksyuk (Affen), der entfernte, tief grollende Ruf eines talioang (Sturmbeest)  und eine Vielzahl anderer Geräusche dringen zu meinen Ohren. Ich lege meinen Kopf auf Sey'syus Brust und lausche einen Moment lang dem Takt ihres gleichmäßig schlagenden Herzens. Ich bin glücklich über all diese Dinge, die hier in unserem Land und unserem Clan gerade geschehen.

Tìtaron Sey'syuyä / Sey'syus Jagd

Numeyu ayoeyä alu Sey'syu kä na'ringnemfa fte tivaron pxoehu 'awsiteng ulte flä.
(Sey'syu, unsere Schülerin, geht mit uns zum jagen in den Wald und ist erfolgreich.)

Wieder bricht ein neuer Tag heran. Ein Tag, an dem ich sehr ausgeruht und auch gut gelaunt erwache. Auch wenn mir die Erlebnisse am vitra utral (Baum der Seelen) nicht aus dem Kopf gehen, werde ich heute, so ist zumindest mein Plan, gemeinsam mit Sey'syu den Tag verbringen. Daher suche ich mir zunächst ein Versteck in der Nähe des Sees. Oberhalb des Wasserfalls werde ich fündig. Die Geräusche des Wasserfalls erlauben es mir sogar, dass ich nicht auf jede kleine Bewegung achten muss, da er meine Geräusche mit Leichtigkeit übertönt. Von hier oben aus kann ich beinahe das ganze Land um den See herum beobachten, ohne dabei selber gesehen zu werden. In der Hoffnung, dass Sey'syu zum See hinunter kommen wird, warte ich hier auf sie, um mir einen kleinen Spaß mit ihr zu erlauben.