Sonntag, 1. Februar 2015

Ankunft in ein fremdes Tal

Es ist ein Tag wie jeder andere, ein reines Verstecken mit der Natur spielen. Überleben, das einzige Ziel. Jeden Tag treibe ich mich herum, in der Hoffnung, einen weiteren Tag zu sehen. Mein Magen sehnt sich nach etwas Fleisch, die Jagderfolge bleiben viel zu gering. Ich versuche, jeden Tag weiter zu laufen, zu klettern als am Tag zuvor, solange mich meine Beine nur tragen können, doch die eintönige Ernährung mit den Früchten Pandoras macht es mir nicht gerade leicht, doch ich bin es denen schuldig zu überleben, die vor meinen Augen dahingerafft sind. Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Himmel oder eine Hölle gibt oder ob unser Bewusstsein einfach ins Nichts geht, letzteres ist für mich am wahrscheinlichsten. Nirwana, eine Erfindung der Menschheit, die sich vor der Leere fürchteten, dass ihre Daseinsberechtigung nach ihrem Tod verschwindet und alles Errichtete nach dem Abscheiden sinnlos erscheint. Diese Furcht hat schon viel Schlimmes hervorgerufen… Lügen und Intrigen, Einsamkeit, Kriege. Das Phänomen Mensch ist so unerklärlich wie das Dasein selbst oder wie ihr eigeborener omnipotenter Komplex, über den sie nicht nicht hinweg kommen und letzten Endes immer selbst Gott spielen wollen. Aber nicht hier, nicht auf Pandora, wo alles auf den Anfang gesetzt wird. Es ist alles so, wie Mutter Natur es vorgesehen hat. Hier gibt es keinen Gott in Menschenverkleidung, denn jeder, der sich gegen die Natur stellt und Gott spielt, wird vom Mond drei Mal verdaut und als hübsche Blume wiedergeboren.


Dennoch versuche ich ein Nirwana auf diesem Fleck zu finden, einen Ort, wo ich nicht um mein Leben bangen muss, was mir paradoxer Weise vollkommen egal ist. Zynismus, Sarkasmus, alles Fassade für meinen Todeswunsch. Ich lege es gerne darauf an. Eine Heimat, für die es sich zu kämpfen lohnt, gibt es für mich nicht. Für mich jedoch ist ein gegebenes Versprechen ein bindendes Gelübde.

In folgenden Tagen treffe ich auf ein Tal. So verlassen, geprägt von den damals residierenden Menschen. Ein Fluch und ein Segen gleichzeitig, denn mein Luftfilter scheint sich so langsam zu verabschieden. Eine kleine elegante Forscherstation, umzäunt von einem ziemlich hohen Drahtgebilde, jedoch ohne eine Zugangsmöglichkeit und eine Basis, posierend wie jede andere nach einem RDA Standard. Die Überwucherung trat bereits seit langer Zeit ein, Gaya holt sich zurück, was rechtmäßig ihr gehört. Dennoch, das Tor der Basis wird von einem riesigen Warnschild geschmückt. Zu meinem Glück treffe ich auf einen Wagen an. Es ist ein kleiner überarbeiteter Pickup, feinstes Militärzeug. So etwas Robustes lässt jedes Mechaniker Herz schlagen. Einfache, jedoch robuste Motor Konstruktionen, die zu meinem Leidwesen nicht funktioniert hat, was für eine Schande. Ich nehme meinen Bogen ab, um mich nach etwas nützlichem umzusehen, der optimale Fall wäre, wenn es einen Filter oder gänzlich eine neue Maske gäbe. Mein einziger Fund: Schraubenschlüssel in verschiedenen Größen, einen Engländer für den schlechtesten Fall, Schraubendreher und Zangen. Ein  unerfreulicher Fund für mich ist die Handpistole, mitten in der Werkzeugkiste. Der Idiot, der sie dort liegenlassen hat, hatte vermutlich einen Todeswunsch. Eine Waffe, die locker in einem freien Raum liegt und von Werkzeugen umgeben ist bedeutet überhaupt ein Sicherheitsrisiko. Ich ignoriere es für diesen Moment, denn ein funktionierendes Fahrzeug bedeutet ein garantiert längeres Leben. So mache ich mich an die Reparatur. Ich fühle mich jedoch unwohl. Es gibt viele Wald Aktivitäten, Hyänen ähnliches Gekicher, was mir ziemlich bekannt vorkommt und das ist nicht die gute Art von Geräuschen. Was mich aber mental fertig macht ist das Rascheln der Gräser und Büsche. Du weißt nie, was als nächstes kommt. Ich habe auch dementsprechend gearbeitet. Zitternd wage ich mich an den Anlasser heran. Es ist mir nur ein Fehler unterlaufen, ein schrecklicher Anfängerfehler, denn ich habe die Batterie nicht abgeklemmt. Ich nehme also das Kabel des Anlassers ab und lasse ihn locker herunterfallen. In dem Moment stellt er einen Kontakt zum Motorblock her, welches unweigerlich zu einem Kurzschluss führt. Das Resultat: Die Alarmanlage geht an. Ich lasse meinen Kopf auf die Verkleidung fallen. Wieso müssen Fahrzeuge nun eine zündschlosslose Lösung haben? Wieso kann die Zündung nicht erst eintreten, wenn man den Schlüssel dreht und dadurch der Stromimpuls zustande kommt. Schleunigst versuche ich, so schnell ich nur kann die Batterie abzuklemmen. Einen Vorteil hatte das Ganze, der Wald ist stiller geworden. Diese Stille gefällt mir aber nicht. Ich nehme also meinen Bogen und mache mich auf dem Weg zur Forscherstation, eine kleine Bastion, wo ich sicher vor wilden Tieren bin, die sich bald wieder annähern könnten. Natürlich habe ich Idiot keine Werkzeuge mitgenommen, obwohl ich zuvor da war und versucht habe, mir gewaltsam Zugang zu verschaffen. Ich renne also die ganze Zeit und zähle nur noch die Schritte bis zum Container. Angekommen am Zielort mache ich die selbige Erfahrung, wie zuvor, kein Erfolg an diesem Ende. Weder Fingernägel, noch das schick polierte RDA Messer helfen dabei. Da  braucht man einen Schraubendreher.

Es dauert nicht lang und Besuch klopft an, doch es war nicht der erwartete Besuch. Es waren Na’vi. Dieser Anblick kann einen schon einschüchtern. Es sind humanoide Wesen, keine Unbekannte für mich, doch habe ich nie welche in Person gesehen. Sie sind doppelt so groß und … blau. Die Blicke der Pfeilspitzen durchbohren mich, dafür müssen sie mich nicht einmal beschießen. Die Muster der Streifen jedoch waren schön anzusehen. Es wäre ein schöner Tod, doch sollte es wohl nicht so sein. Der Kreis um mich schließt sich, um mich sind 270° Exekutionsmöglichkeiten, jedoch nicht in den 90° direkt vor mir. Sey’syu, so war ihr Name, entdeckte mich zuerst, doch erhob sie nicht ihren Bogen gegen mich, sondern ihre Stimme und vergleichsweise zu der gegenwärtigen Stimmung war sie friedvoll. Es war eine Art Wunder, denn sie sprach zugleich auch noch meine Sprache. Wie ich im Laufe der Zeit feststellen durfte, sprach nicht nur sie meine Sprache. Ich glaube, die Na’vi um mich herum haben mich darauf getestet, ob ich in der Lage bin, ihre zu sprechen. Die generelle Stimmung war ziemlich angespannt, ein Na’vi namens Sey fletschte andauernd mit den Zähnen und hauchte mir in den Nacken, doch war ich ruhig. Ich hatte schließlich nichts zu verlieren. Keine Familie, keine Freunde und nichts, was man im entferntesten Heimat nennen könnte. Kxirya, so war der Name der Frau neben Sey’syu, versuchte die Lage zu besänftigen. Ich sah sie an, jeden von ihnen, den ich ausmachen konnte. Sie sagten mir wohl, dass sie vom Alarm auf mich aufmerksam geworden sind, den ich ausgelöst habe. Ich habe versucht, ihnen meinen Sachverhalt so gut ich nur konnte zu erklären und dass ich schleunigst einen neuen Filter benötige, den ich hoffentlich in der Forscherstation finden kann. Mein einziges Problem war, ich hatte gar keinen Zugang zum System. Was also machen, wenn man Einen zweifachen Abschluss in Elektrotechnik und Maschinenbau hat, man bei der Montage von Dutzender dieser Türen dabei war und genauestens weiß, wie schlampig die Sicherheitsvorkehrungen für diese Mechanismen ist? Man holt das Angeber Wissen heraus und verschafft sich per Gewalt Zugang zu. Da war ich also wieder, in der Lage wie erkläre ich es ihnen am Besten. Ich sagte ihnen, dass ich vorhin an einem Wagen oder besser gesagt Metallpferd - das hätten sie wohl besser verstanden - war, der das benötigte Werkzeug besäße, damit ich mir Zugang zu der Station beschaffen könnte. Sie stimmten nur mit Widerwillen ein. Eine Na'vi namens Ne'wey suggerierte mir, dass ich ihnen vertrauen kann. Ich führte sie zu der anderen Basis, da wo der Wagen residiert, doch als wir alle dem Ziel näher gekommen sind, fing an mein Herz zu pochen. Mir ist eingefallen, dass sich in dem Werkzeug Koffer eine Handwaffe befindet. Ich überlegte mir, wie ich damit umgehen sollte. Der einfachste Weg schien zu sein, sie gnadenlos ehrlich darauf hinzuweisen. Ehrlichkeit schien bisher die beste Art und Weise zu sein, mit ihnen zu reden, außerdem werde ich selbst auch nicht gerne belogen. Ich öffne also die Schublade und sage ihnen, dass sich eine Menschenwaffe darin befindet. Ich besorgte mir nur das nötige Werkzeug und schloss die mittelgroße Lade. Als ich mich zu ihnen drehte, schien regelrechtes Getuschel loszugehen. Sie waren wohl beeindruckt von meiner Ehrlichkeit und dass ich sie direkt auf die Waffe hingewiesen habe. Ohne viel großes Drumherum sind wir also wieder zurück zur Forscherstation gegangen. Ich konnte in Ruhe zwei Kabel von dem Scanner ablöten und sie direkt verbinden. Es verlief fast so, wie das Kurzschließen eines Autos. Der Öffnungsmechanismus wurde ausgelöst, die Dekompression trat sofort in Kraft. Nach wenigen Sekunden öffnete sich die Tür und ich konnte beruhigt reingehen.

Da war ich also … Es war ein sicheres Umfeld, ein vertrautes Umfeld. Wenn man Monate lang unter diesen Umständen lebte, dann weiß man, wie es auf die Psyche gehen kann. Warum wollte ich also überhaupt herkommen? Nun, wenn es die Lebenswahrscheinlichkeit verlängern sollte, bin ich gewillt, ein paar seelische Wunden aufzukratzen. Dennoch wollte ich so früh wie möglich raus. Einen Tag konnte ich wohl überstehen und ganz ehrlich, wer kann dem Luxus eines Bettes und die Tatsache, dass man nicht andauernd wie Jason der Serienkiller mit der Maske durch den Wald rennt, widerstehen?

Mein Name? Tut mir leid, ich habe wohl in der ganzen Aufregung vergessen, ihn zu erwähnen. Man nennt mich David, David Kriesel.

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