Dienstag, 16. Mai 2017

[File: BL-A420 _-_Videolog_2217-05-22 ID:Kriesel]


Ich hab ein paar Tage gebraucht, um über das letzte Vlog hinwegzukommen. Wer hat so etwas wie Emotionen erfunden? So etwas Unnötiges. Whatever, Vlog Nummer 4…


Irgendwann hat es bei mir Klick gemacht. Der genaue Auslöser dafür ist mir leider entfallen. Verdrängt vielleicht? Keine Ahnung. Ich habe einfach Rot gesehen. Jeder hat mal solche Momente. Man stürmt in Situationen rein, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, also trennte ich mich von den Rey’engya. Sey war zu der Zeit abwesend. Ich kann mir gut vorstellen, wie sein Gesicht ausgesehen haben muss, als er von der Nachricht erfahren hat. Hoffentlich war es Kxìrya, die ihm davon informiert hat.

Ich wusste, dass ich nicht einfach so das Front Tor hereinspazieren dürfte. Ich habe vermutlich gerochen, wie ein Obdachloser mit einem Fichten Duftbäumchen und hatte Kleidung an, wie nur die "Wilden" es tragen würden. Keine Chance. Die hätten mich vermutlich on-sight erledigt. Also entschloss ich das erst beste zu tun und brach in eines der Außenstationen ein. Die Basis konnte das nicht ignorieren und musste mich abholen, auch wenn es für's erste Knast hieß.

So ganz alleine ohne einen Clan um einen herum, das hat sich schon komisch angefühlt. Man kann sich viel schneller an ein Kollektiv gewöhnen, als einem selbst vielleicht lieb ist. Die Na’vi sehen es sehr ähnlich. Kxìrya hat mich aufgesucht. Sie sagte etwas davon, wie meine Abwesenheit eine Leere ausgehoben hätte, die nicht gefüllt werden könnte. Sie vermisst mich, ich wette ein paar taten es. Aber was sollte ich machen? Ich habe mich buchstäblich selbst in’s Knie gef…. Du verstehst schon. Es war gefährlich, konstant zu reden. Besonders wenn mich letztlich jemand abholen kommt, daher verabredeten Kxìrya und ich ein Zeichen. Eine kleine, unauffällige Feder, die in der Gummidichtung der Scheibe steckte. Wann immer sie dringend mit mir reden musste, hat sie die Feder positioniert. Wenn ich die Feder entfernt habe, habe ich zu dem Gespräch zugestimmt. Nur unsere Meinungen über "dringend" waren grundlegend verschieden. Manchmal ist sie mit einem Obst Korb gekommen, um mich zu verpflegen. Na’vi sind schon witzig…

Zwei Wochen durfte ich verrotten in dem Bunker. Ich ging unter die Dusche und habe vermutlich eine halbe Parfüm Flasche leer gemacht, damit ich meinen charakteristischen Geruch wieder verliere. Sey sagte immer zu, ich rieche endlich nach Wald mit einem selbstzufriedenen Grinsen. Dazu brauchte ich Kleidung. Da habe ich einfach einen Spind aufgebrochen. Die Sachen mussten wohl noch von der alten RDA Besatzung zurückgelassen worden sein. Alle RDA Labels habe ich von der Uniform heruntergerissen. Es ist kein Geheimnis, was ich über die RDA denke, selbst für die Leute in der RDA. Ich wette ich gehöre bestimmt zu einer geheimen Liste von Oppositions Gegnern oder Verschwörern, die man beseitigt, wenn sie zu laut werden.

Der Moment der Wahrheit kam immer näher, ein Heli landete etwas weiter von der Außenstation entfernt. Das Empfangskomitee war da. Vor der Schleuse standen Dipps und Lienna. Von all den Menschen, die ich zu der Zeit vermutet hätte, hätte ich Lia am wenigsten erwartet. 

Lia und ich haben damals zusammen studiert, wir und ein Team aus 3 weiteren. Die Leute waren auf einer persönlichen Ebene ziemliche Trantüten, aber zusammen waren wir ziemlich produktiv. Lia hat sich damals mit der Botanik und den Einfluss auf die Avatare auseinander gesetzt. Sie war ein Ass auf dem Bereich der Mikrobiologie, ein Talent. Ich hingegen war immer gut darin, Sachen zu bauen. Ich habe Informatik studiert und bin anschließend in die Bioinformatik gegangen, vermutlich nur wegen Lia. Ohne sie hätte ich kein Interesse an so etwas gehabt. Bis heute habe ich keine Ahnung, wie wir überhaupt aneinander geraten sind, so etwas nennt man wohl Fügung oder Schicksal. Es fing wohl damals an, als sie mich in der Bibliothek angesprochen hat, wo sie ihre Bücher finden kann. Es ist die klassische Mann trifft Frau Szene. Frau benötigt Hilfe, Mann schreitet zur Tat und beide verlieben sich unsterblich ineinander. Nur dass der letzte Part nicht auf uns zutraf, zumindest auf mich. Ich traue mir selbst zu, dass ich das komplett übersehen oder ignoriert habe. Selbst ein Blinder hätte vor mir gemerkt, was um mich herum geschieht. Stattdessen trafen wir einfach öfter aufeinander. Auf Studi Feten, manchmal in der Mensa oder zufällig auf der Straße. Irgendwann kamen wir in ein langes Gespräch. Sie lag ein Semester hinter mir und dennoch haben wir gemeinsam den Abschluss absolviert. Hätte sie nicht einen solchen Schädel gehabt, wären wir mit Wahrscheinlichkeit nicht so lange zusammen gewesen. Blue Biolabs rekrutierte damals frische Absolventen und wir beide sind in die engere Auswahl gekommen. Uns wurde zur Aufgabe gemacht, den Reifeprozess der Avatare zu verkürzen um mindestens die Hälfte. Wenn man sich das durch den Kopf gehen lässt, dann klingt das in der Tat schon sehr ambitioniert. Das war es auch, es war ein Hoax, ein schlechter Scherz. 5 Jahre waren schon verdammt kurz für einen voll entwickelten, erwachsenen Körper. Man hat sich davon erhofft, dass man mehr Menschen in das Avatar Programm mit einführen könnte. Der wahre Grund war die Kosten für die Dinger zu reduzieren. So ein Avatar kostet ein paar Millionen Dollar.

Lia hätte vielleicht kurz vor der Antwort stehen können, aber ich wäre nur der Bimbo, der hinter ihrem Genie gestanden hätte als der Typ mit dem Lötkolben und dem Tablet, der ein paar Zeilen Code schreibt. Wir beide waren ein verdammt gutes Team, aber ich war ein narzisstisches Arschloch. Eine andere Firma hat mir eine Stelle auf Pandora angeboten. Wäre ich ein guter Freund gewesen, hätte ich abgelehnt, aber ich war ich… Gierig, selbstverliebt, egoistisch. Ich habe die Stelle angenommen und damit Lias Forschung zerstört. Sie hat die gewünschten Ergebnisse nie liefern können und hat somit alles verloren. Einen Freund, ihre Reputation, ihre Karriere.

Und dennoch stand sie vor mir in diesem Container. Sie hat es aus eigener Kraft geschafft, auf Pandora zu kommen. Die Sünden der Vergangenheit holen einen immer ein, was?

Von dort aus wurde ich zur Basis eskortiert, aber mein Weg führte direkt für ein paar Wochen in die Arrest Zelle. Ist wohl nur Standard Sicherheitsprotokoll, aber ich kann mir denken, dass Lia ein starkes Machtwort ausgesprochen hat. Sie hatte mehrere Gründe damals wie heute sauer auf mich zu sein. Aber ich hatte keinen Freiraum für Beschwerden. Das hatte ich schon längst verdient. Irgendwann aber wurde ich entlassen. Sie hat mich wirklich gehasst, das war offensichtlich bei meiner Entlassung.

Man, ist es schon spät. An der Stelle verabschiede ich mich in Richtung Federn. Gut’s Nächtle.

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