Montag, 4. September 2017

Fya'o Na'viyä ( hapxì a'awve) - Der Weg des Volkes ( 1. Teil )

Vor einigen Tagen saß ich zusammen mit Kxìrya in einer Lichtung hinter unserem Lager. Wir waren gerade dabei uns Federn der Ayeyaye (Federhaubenbäume) zu sammeln, weil wir beide lustigerweise jeweils die selbe Idee zu einem Kleidungsstück hatten. Als ich meiner Tsmuke (Schwester) erzählte, dass ich ihr eine Kette anfertigen wolle, blickte mich diese überrascht an. Ihre Körperhaltung verriet mir, dass sie sich darüber freue. Kxìrya sagte mir dann aber: "Du solltest mehr an Dich denken, ma Neyri." So kam es dann zu einen längeren Gespräch zwischen mir und meiner einstigen Karyu (Lehrerin). Kxìrya fragte mich dann nach einer Weile: "Spürst Du keinen Stolz in Dir, dass Du nun Heilerin bist? Empfindest Du keinen Stolz, jetzt auch einen Ikran zu haben und bist Du nicht noch viel mehr stolz darauf, eine richtige Na'vi geworden zu sein?"

Natürlich empfinde ich Stolz und es ist erbauend , dass Kxìrya durch diese Konversationen immer wieder mich daran erinnert, denn es gab Zeiten zu denen Stolz für mich ein Fremdwort war.

Nachdem man mich als Flüchtling im Clan der Rey'engya aufgenommen hatte, begann ein Weg zu entstehen, von dem ich noch nicht ahnen konnte wohin er mich führte. Es machte allen keine Probleme mir etwas beizubringen, wie etwa die Sprache des Volkes. Ich lerne schnell durch Beobachtung und Zuhören, was einen riesigen Vorteil darstellt. Jeder in der Gemeinschaft nahm daran Teil und nur bei einigen Dingen musste man mir konkret erklären, wieso ich Wörter anders bilden muss, wenn es zum Beispiel um die Zeitform ging. Besonders Sey, Kxìrya und Korlan bemerkten meine schnellen Fortschritte, was sie aber meist nicht offen sagten. Aber an ihrer Gestik oder Mimik konnte man es gut ablesen. 

Trotzdem bemerkten auch viele, dass mich manchmal etwas hinderte.

Allein bei der formellen Begrüßung, bei der man die linke Hand zur Stirn hebt, dauerte  es vergleichsweise lange bis es mir ins Blut überging. Das lag aber nicht etwa daran, dass mir diese recht einfache Geste schwer fiel, sondern viel mehr, dass ich mich dabei nicht wirklich wohl fühlte. Es ist schwer dies zu beschreiben, aber es wird wohl jeder so gefühlt haben, der als Fremder zu einem Clan dazukommt. 

* leise seufzen *

Auch wenn man es mir langsam nicht mehr richtig ansah, da meine körperlichen Wunden gut heilten und der Schmutz von meinem Körper abgewaschen worden war. Die Sawtute (Himmelsmenschen) hatten mehr in mir kaputt gemacht, als es anfangs den Eindruck erweckte. Oft zog es mich von der Gemeinschaft weg. Ohne ein Ziel zu haben, was ich nur mit meinen Leben anfangen solle und welchen Sinn es überhaupt macht, weinte ich manchmal auch  außerhalb des Lagers, was aber zu jener Zeit, ohne dass ich es wusste, ein Verbot darstellte. Meine Position im Stamm war nicht viel höher als die eines 'eveng (Kind) und ohne die davor eingeholte Erlaubnis durfte ich nicht das Lager verlassen. Dies wäre für mich nicht folgenlos geblieben.

Als Kxìrya mich am See zwischen den Ufergras entdeckte, stand sie mir recht verärgert gegenüber. Sie hockte sich dann aber zu mir, da mein glasiger Blick ihr mehr sagte als irgendwelche Worte. Später erfuhr ich, dass sie es schon geahnt hatte, aber Kxìrya fragte mich trotzdem, was mit mir los war. Mit angelegten Ohren und einem sich kaum bewegenden Schweif erzählte ich ihr dann von meinen manch wirren Gedanken. Während die Worte stockende über meine Lippen kamen und mir wieder Tränen über die Wangen flossen, nahm mich die Tsahìk (spirituelle Führerin) behutsam in den Arm. Wie eine Mutter ihrem Kind, hörte sie mir geduldig zu und schenkte dabei das Gefühl von Geborgenheit. 

Dann wurde es still. Kxìrya hielt mich wortlos eine Zeit lang fest, ehe sie mir zuflüsterte, dass es nicht schlimm sei zu Weinen und auch dass ich mir nicht diese Gedanken mache solle, da ich noch jung sei.Sie meinte darauf in einem weisen Tonfall: "Du wirst sehen, dass Du durch Erfahrung und Fehler lernst. Je weiter Du deinen Weg beschreitest, umso mehr Antworten werden Dir offenbart.Die Tsahìk löste sich dann wieder von mir und erhob sich. Wieder in einer ernsteren Haltung sagte sie mir dann, wobei ihre Stimme immer noch ruhig klang , dass ich mich für meine Tat vor dem Olo'eyktan (Clanführer) verantworten müsse. 

Durch die Kraft, die mir durch Kxìrya zuteil wurde, erhob ich mich ohne zu zögern und folgte ihr dann hinauf ins Lager. 

[ Wie ich mich dort Sey gegenüber stellte und was die folgen meines Handels waren, erfahrt ihr im nächsten Teil...]

































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